Wednesday, June 13, 2007

Ikea´eske Heimsuchungen der dritten, vierten, fünften und sechsten Art

Ich muss es ganz offen sagen: ich hasse Ikea.
Nicht etwa weil meine Mutter mir bereits als Kind eingetrichtert hat das Ikea ein stilistischer Brennpunkt des schlechten Geschmacks ist ( ist es heute eh nicht mehr, Ikea ist zum H&M des Einrichtungsdesigns mutiert und klaut jeden noch so geilen Wohntrend bevor dieser überhaupt das Wohnzimmerder Elite erreicht) , nein sondern viel mehr wegen den Leuten die mir bei Ikea begegnen wenn ich dort nach Bilderrahmen und Vanillie-Kerzen suche:

Die Frischverliebten

Während im Rest der Welt die Singles nur im Frühling vom Anblick frischverliebter Paare belästigt werden herrscht bei Ikea der Ausnahmezustand: hier ist das ganze Jahr über Frühling. Liegt es an den poppigen ( habe ich das gerade wirklich geschrieben?) Farben oder an der fensterlosen Zeitlosigkeit des schwedischen Einrichters? An der Daimtorte? Den Kuscheldecken? Woran auch immer es liegt, es sorgt dafür das man bei Ikea keine fünf Meter weit gehen kann ohne über irgendwas gelbes oder ein verliebtes Paar zu stolpern. Da laufen sie dann rum, er trägt eine von diesen müllsackmäßigen Ikeataschen und sie rennt glückselig hin und her und stopft Zeug hinein. Natürlich bleiben sie alle zwei Meter stehen, sehen sich tief in die Augen und küssen sich lange und aufdringlich, pardon, leidenschaftlich.
Wie kann das sein? Ich bin als gestandener Mann mit viel Spaß am Leben und einem ausschweifendem Sexleben in den Laden gekommen und kaum sehe ich ein knutschendes Paar verwandele ich mich in ...Gott steh mir bei...in einen Single? Das ist doch nicht normal.

Die Zusammenziehenden

Noch schlimmer als die erste Gruppe.
Bei den frischen Opfern Amors kann man sich einbilden das die zwar gerade im Weg stehen und es aussieht als würden sie sich gegenseitig die Gesichter wegfressen, aber wer weiß?, in 2-3 Monaten ist vielleicht schon wieder alles vorbei und die beiden werden sich wie die Hyänen um das Sorgerecht für den soeben erworbenen Malmö-Stuhl und das Ekko-Geschirr streiten.
Bei den Zusammenziehenden geht das nicht. Immerhin ziehen die zusammen. Wohnt man erst mal zusammen wächst die Toleranzschwelle der meisten Paare und für einen Streit der noch vor kurzem zum Ende der Beziehung geführt hätte trennt man sich doch jetzt nicht mehr, der Umzug war schließlich so teuer und alle Geldreserven sind in die neue Ledercouch geflossen.
Das beruhigt schon ungemein wenn man weiß das einem das Weibchen bzw. der Gatte in Spe nicht so mir nichts dir nichts einfach abhauen kann.
Die Zusammenziehenden wollen natürlich auch dem Rest der Welt zeigen was für eine wunderbare Einheit sie sind und schieben den Ikeaeinkaufswagen deswegen auch gemeinsam und gleichberechtigt durch die Gänge. Hier und da bleibt man stehen und sagt so Sachen wie: der Stuhl würde toll ins Bad passen oder in der Küche fehlt genau diese Lampe!
Ansonsten herrscht hier ein geradezu inflationärer Gebrauch der Worte „Wir“ und „uns“, da wird ge-wirt und ge-unst als gäbe es kein morgen. Und was mache ich ? Ich ärgere mich! Die Zusammenziehenden haben nämlich nicht nur eine feste Beziehung und eine gemeinsame Wohnung sondern haben mir obendrein auch noch die letzte Vanille-Kerze vor der Nase weggeschnappt.

Die Schwangere ( samt stolzem Kindsvater in Spe)

Der emotionale Supergau!
Okay, ich schimpfe oft über schreiende Kinder allgemein, nervige Junx im besonderen und muss gestehen das mich der Anblick von stillenden ( jetzt hätte ich fast säugende geschrieben) Müttern mich nervös macht, was aber nur daran liegt das es für mich zwar normal ist jeden Tag Titten im Fernsehen und in Zeitungen zu sehen, nicht aber Im Cafe oder Kaufhaus, besonders nicht in Kombi mit einem daran hängendem Kind, ergo weiß ich also nie wie ich mich dann verhalten soll. Normal!, sagt mir mein Verstand. Aber was ist normal in so einem Moment? Einfach tun als wäre nichts? Sich solange diskret abwenden? Das kann es auch nicht sein, sagte ich mir nachdem ich mal bei einem Frühstück 25 Minuten lang eine Art Deko-Anrichte angestarrt hatte weil meine Sitznachbarin plötzlich die Bluse für den kleinen Jordan Roberto Justin geöffnet hatte und später der Gastgeberin erzählte das der Danielle sich wieder so komisch benommen hätte.
Wie gesagt, diese Themen machen mich nervös und sollten eigentlich eine heftige Antipathie gegenüber Schwangeren zur Folge haben. Aber nix ist. Im Gegenteil. Wenn ich bei Ikea bin bleibe ich ohnehin immer in der Kindermöbel Abteilung stehen um die ganzen bunten Sachen zu begutachten die es da gibt und gelegentlich auch um mir ein rosa Kinderzimmer anzusehen das, so groß wie eine Schuhschachtel, geradezu perfekt erscheint wenn man wie ich gerne eine kleine Tochter hätte. Wenn ich da dann stehe, die Hand versonnen auf den Wiegenrand gestützt, und eine von diesen unglaublich glücklichen Schwangeren vorbeizieht, rund und gesund wie Titanias Zofe dann stehe ich da und bin plötzlich kein toller Hecht mehr, kein richtiger Mann sondern nur ein Single mit promisken Lebenswandel und einem ungesundem Interesse an gutem Essen und gutem Sex.


KINDER, KINDER und nochmals KINDER

Als wäre ich mit den Schwangeren noch nicht genug bedient gibt es dann die nächste Stufe die dazu da ist mir klar zu machen wie viel Familienglück ich verpasse bzw. mir selbst durch meinen egomanen Single-Lebens-Stil vorenthalte: Kinder!

Nicht nur das die ehemals Frischverliebten, die dann Zusammengezogenen und schließlich Schwangeren nicht einfach Zuhause bleiben statt weiter ihr Umfeld mit ihrem Glück zu belästigen, nein sie rennen weiter durch das schwedische Interiorunterholz, darauf erpicht weitere Kleinode der Einrichtungswelt zu erjagen und dann schließlich mit vollgepackten Kombis ( hinten die Kindersitze mit Jana Britney Giselle Marie und Justin Robbie Becks, ganz hinten die Stühle Humonäää und den Teppich Grädinää) gen heimeliger und stadtnaher Reihenhaussiedlung mit verkehrsberuhigter Straßenlage am Grüngürtel zu reisen.
Natürlich machen sie das nicht alleine, nein sie bringen die Frucht ihrer Lenden natürlich mit. Warum nehmen alle diese glücklichen und meist überdurchschnittlich attraktiven Paare alle ihre Kinder mit zu Ikea? Liegt es daran das man bei Ikea die Blagen am Eingang abgeben kann und diese dann drei Stunden durch einen Pool voller bunter Bälle tauchen können während Papi und Mami neue Matratzen und Klicklaminat testen? Und wenn das der Grund ist...warum geben sie ihre gottverdammten Bälger und Blagen dann nicht an der dafür vorhergesehenen Ball-Pool-Kinderaufbewahrungsstätte ab? Scheinbar gibt niemand seine Kinder da ab. Wie könnte es sonst sein das mir überall im Schwedenreich hübsche und fröhliche Kinder begegnen? Nein, keine traurigen, dreckigen oder gar hässliche Schlechte-Gegend Kinder. Nein, die Kinder die mir bei Ikea über die Füße trampeln sind alle hübsch, sauber, gekämmt und sehen durch die Bank weg aus als ob ihnen eine großartige Karriere auf Hochbegabtenschulen bevorsteht. Sie sind nicht übergewichtig, sie haben keine Rotznasen und keines sieht verloren oder so unzufrieden aus als habe es Zuhause die Hölle auf Erden mit einer frustrierten Mutter und einem trinkenden Prügelvater. Das ist doch nicht normal oder? Wieso sehe ich solche Kinder nie auf der Straße? Auf Spielplätzen? Im Zoo? Wahrscheinlich gibt es sie gar nicht. Wahrscheinlich werden alle diese Bilderbuchfamilien irgendwo im schwedischen Untergrund gezüchtet und warten, in Zellophan verpackt, auf ihren Einsatz bei Ikea, wo sie miesepetrigen Singles wie mir vor Augen führen wie sinn- und freudlos ihr Leben ist und mich so dazu animieren a) meine Fähigkeiten im Bereich Kindesentführung zu überdenken und b) noch ein Paar Gabeln Muräää, ein paar Sofakissen Kantaplööö und einen Bettvorleger Timidieeee zu kaufen.
Genau so ist das. Diese Übermenschen sind in Wirklichkeit Massenvernichtungswaffen der Einrichtungsindustrie, schwedische Terroristen die mit Kugelbauch, Kussmund und Kindergequietsche bewaffnet daran arbeiten meinen Daseinsplan als glücklicher Single zu unterwandern.
So und nicht anders muss es sein. Wahrscheinlich werden die Frischverliebten, die Zusammenziehenden und die Schwangeren samt blitzsauberer Vorzeigekinder nach Ladenschluss eingesammelt in den Ikea-Keller geschleppt und dort bis zum nächsten Einsatz in gigantischen Tupperware-Dosen verstaut.
Oder kennt etwa von euch einen dieser perfekten glücklichen Saubermenschen? Kann mir jemand einen Namen nennen? Weiß einer wo die wohnen?

Dachte ich´s mir doch!

Oder liegt es am Ende doch an den vielen Beigetönen und an Billie?

Amen &out

1 comment:

Jo said...

Are you getting this comment? I just read this in translate, and it made me laugh, and the pace and tone are so different to your English posts now, I do love it. And I probably read it before, but I forgot - and I know you want me to see what you write like in German, and I do, you gorgeous, bitchy writer man :)