„Junge, gib mir doch mal deine private Emaille, dann schicke ich dir auch eine“, sagt Oma am Telefon und sorgt so dafür das ich verständnislos den Hörer ansehe.
Meine Emaille? Es gibt in meiner Wohnung nicht mal eine allgemeine Emaille von einer die sich meine private Emaille schimpfen würde ganz zu schweigen.
Nach einem letzten prüfenden Blick in Richtung Waschbecken und anderer Sanitäranlagen melde ich mich wieder:
Nee, Omi lass mal so was brauche ich nicht, bei mir ist alles aus Porzellan.
„So was brauchst Du nicht?“, fragt Oma irritiert, „ ich denke das habt ihr jungen Leute alle Zuhause?“
„Nee Oma, das was die jungen Leute alle Zuhause haben ist Ikea und schlechter Geschmack, das hat mit Emaille und mit mir gar nichts zu tun. Wirklich!“ belehre ich Oma im Brustton der Überzeugung und verschweige das ich einen Ikea-Couchtisch habe und regelmäßig Schaukästen für meine Gottesanbeterinnen beim Schweden in Holland kaufe.
„Was hat Emaille den mit Geschmack und mit Ikea zu tun?“ verlangt meine Oma zu wissen und an ihrer Stimme höre ich das sie langsam ungeduldig wird.
„Also...“setze ich an und überlege wie ich Oma klar mache das Emaille total überholt ist und mir genauso wenig ins Haus kommt wie die Zeugen Jehovas.
„Also, Emaille ist doch viel zu....teuer“...teuer sag ich statt veraltet und bete das sie es schluckt...“genau... teuer und sollte eigentlich den neuen Bundesländern vorbehalten sein“...spinne ich weiter und gieße mir so leise wie möglich Vodka in meinen Orangensaft ( sie hört nichts die Gute, wenn ich mit ihr telefoniere muss ich jeden dritten Satz mehrmals ins Telefon brüllen, aber wenn ich beim telefonieren nur in die Nähe einer Flasche komme werde ich gefragt ob ich „schon wieder“ trinke) und hoffe das ihr das als Begründung dafür reicht das ich keine Emaille will...aber nein, so schnell gibt Oma nicht auf...das ist wie damals als sie diese grässlichen Lederhosen kaufte und mich sage und schreibe acht Monate bearbeitete bis mein 6jähriger Charakter schließlich klein beigab und sich wegen der doofen Hose auf dem Schulhof verhauen ließ...Hauptsache Oma war glücklich ....“Junge, ich denke das habt ihr jungen Leute alle und...“, nein nein, unterbreche ich sie und beginne wieder mit Ikea und fehlender Sensibilität im Bereich Einrichtung als sie mir brüsk das Wort abschneidet: Danielle...willst Du deine Oma veräppeln? Willst Du das? Emaille hat gar nichts mit Ikea zu tun...das hätte der Stefan mir sonst gesagt...außerdem braucht ihr jungen Leute doch alle Emaille...Briefe schreibt ihr ja nicht mehr!“
Stefan? Wer zur Hölle ist Stefan? Ich will wissen wer Stefan ist und frage nach...doch noch bevor Oma antworten kann schwant mir gar schreckliches...der schöne Stefan?, hake ich bei Oma nach und bete das sie nicht vom schönen Stefan redet...Ja, genau der schöne Stefan, freut Oma sich das ich an ihrem Leben teilnehme und mich an Stefan erinnere.
Gott steh mir bei, ich hasse den schönen Stefan. Der schöne Stefan ist eigentlich Omas Masseur und dafür zuständig die Knoten und Verspannungen aus Oma heraus zu kneten. Am ersten Tag war Oma von der holden Gestalt des schönen Stefans so angetan das sie gleich ein Date mit anschließendem Nestbau zwischen Stefan und meiner Schwester arrangieren wollte...wahrscheinlich linste sie dabei begierig auf Stefans attraktiven Genpool und auf die Tatsache das man bei der Paarung einer schönen Frau und eines schönen Mannes wohl auf schöne Urenkel hoffen darf...dann aber linste sie auf die Einnahmen des jungen Masseurs und verwarf die Idee sogleich wieder....Stefan sagte sie, Stefan ich mag dich, aber mit dem Gehalt kannst Du dir weder meine Enkelin noch meine zukünftigen Urenkel leisten!...lieber Himmel Oma...was erwartest Du? Der Mensch verdient sein Geld indem er Verhärtungen aus alten Leuten heraus knetet...egal...also der schöne Stefan war nach dieser Unterhaltung zwar nicht mehr gut genug um meine Schwester daten zu dürfen aber immer noch gut genug um weiter Omas Rückenschmerzen Linderung zu verschaffen...da man bei so einer Massage ja hin und wieder auch mal reden muss und der schöne Stefan nach 3 Monaten Omas Geschichten...“ und der Graf hatte 99 Güter....und weißt Du warum nur 99?“....alle kannte redete der schöne Stefan halt von all den Dingen die so einen 19 jährigen Masseur so beschäftigen...von Gedichten...von Madonnakonzerten ( kein gutes Thema: Oma nennt Madonna und Marlene Dietrich immer nur die läufigen Hündinnen)...von den tollen Autogrammen die er bei Ebay kauft und von all den tollen Informationen die man im Internet so bekommt...scheinbar ist man viel aufnahmefähiger wenn man unter den knetenden Fingern eines noch fast Minderjährigen liegt, denn meine Bemühungen Oma das Internet zu erklären waren mehr als nur fruchtlos...aber jetzt, ja jetzt versteht Oma plötzlich was das Internet ist....das ist wie eine Bücherei im Computer!, belehrt sie mich einen Tag später und schickt fortan Stefan ins Net um ihr dort Artikel zu suchen und Informationen über Sprachreisen...über Sudokuregeln...über Roger W....und über die Preislage von Hermestüchern zu besorgen...Süßer Jesus sei mir gnädig...Oma entdeckt das Internet...einer meiner schlimmsten Albträume wird wahr...immerhin gibt es im Net allerlei über mich zu lesen ...Dinge von denen ich nicht möchte das meine Omi sie weiß...da gibt es Interviews für deren Tonfall Oma mir den Hintern versohlen würde...da gibt es Gerüchte...Anschuldigungen und Zitate...bei dem Gedanken wird mir ganz schlecht...Dirk hat mich immer gezankt und gescherzt das Oma bestimmt mal einen Computerkurs bei den Grauen Panthern belegen würde...ach was, habe ich immer abgewunken....und nun kommt der schöne, aber scheinbar total verblödete, Stefan daher und druckt ihr irgendwelchen Mist aus...beim nächsten Besuch bei Oma erstarre ich sobald mein Hintern die Polster des Sessels berühren...dort...direkt neben Omas teuerster Teetasse liegt ein Internetausdruck über den Herrenreiter...was soll das?...ich habe meiner Oma bewusst keine Ausgabe des Herrenreiters gegeben...das kannst Du nicht lesen, da ist Schweinkram drin!, habe ich zu ihr gesagt und ihr stattdessen das Vorwort vorgelesen...und jetzt liegen die Bestellinformationen direkt vor mir auf dem Kaffeetisch meiner Omi...wenn das kein Grund ist Stefan zu hassen dann weiß ich es auch nicht...aber, so beruhige ich mich, Oma geht ja nicht selbst ins Net, nein sie schickt nur ihre debilen Schergen und letztere kommen wohl nicht auf die Idee „ Danielle de Santiago+ unerhörte Lügen bei Google einzugeben...oder Danielle de Santiago+ Porno oder was auch immer...alles ist in Ordnung beruhige ich mich und nehme einen Schluck Tee...das ist jetzt etwa vier Monate her und ich hatte den schönen Stefan schon fast vergessen...Bist Du noch da? Danielle? Hallo?, kräht Oma in ihr Telefon mit den extra großen Tasten...Ja ich bin noch da...also...hier, antworte ich kraftlos und schütte mir noch etwas Vodka in den Saft, diesmal versuche ich gar nicht erst leise zu sein...trinkst Du schon wieder? fragt Oma scharf ...nein...also...ja...Saft!, lüge ich unoriginell und gucke schulterzuckend zur Zimmerdecke...also, was ist denn mit deiner Emaille wiederholt Oma erneut...und plötzlich wird mir klar was sie will...ihr jungen Leute schreibt doch keine Briefe mehr...meinst Du vielleicht meine Email Oma? frage ich vorsichtig...ja genau, Emaille, sage ich doch die ganze Zeit, bestätigt Omi meine Befürchtungen...schreibt der schöne Stefan jetzt auch schon Emails für dich? hake ich nach...nein, das kann er nicht, dafür hat er nicht genug Zeit, klärt meine Oma mich auf...und wer macht das dann?, will ich wissen....na ich, sagt Oma, und ich kann den Triumph in ihrer Stimme hören...Du?...Ja ich, wiederholt Oma ihre Aussage in einem Tonfall in dem man wohl auch mit Sonderschülern oder mit Kader Loth reden würde...Tante Annemie hat doch jetzt auch so ein Internnett, sagt Omi und lässt so meinen Magen Achterbahn fahren...Internet, sage ich kraftlos...Internnett, sag ich doch, Internnett, wiederholt Oma ungeduldig....
Drei Tage später bekomme ich eine Mail von MeineOmaFährtImHühnerstallMotorrad@Lycos.de* ....ich bin verloren...Omi ist wirklich im Internet...ich bin gespannt was bei meinem nächsten Besuch neben Omas Teetasse liegen wird...
Amen &out
* natürlich ist das nicht die echte Email-Adresse meiner Oma
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